von Tina Friederike Meyer und Edoardo Ghidelli
Falls Sie dieser Text inspiriert und Sie Lust haben, daran teilzunehmen, freue ich mich / wir uns über eine Nachricht. Dann nehmen wir Sie gerne in den Kreis auf.
Wir, einige erfahrene Berater*innen aus verschiedenen Fachrichtungen, trafen uns an einem Wochenende vor einigen Monaten in Frankfurt , um zu überlegen, was können wir tun, damit die Natur nicht noch weiter zerstört wird? Wir, die als Mediatoren und Mediatorinnen ausgebildet sind oder als Coaches, Organisationsentwickler*innen arbeiten. Als Ansporn galt die Frage: „Was können wir tun, damit dem Klimawandel Einhalt geboten werden kann?“
Das war kurz vor Corona, kurz bevor wir lernen durften, dass viele unserer Antworten nicht mehr zu den Fragen passen, die die Welt an uns richtet. Vielleicht war das schon länger/immer so, nur ist es seit Corona deutlicher. Wir haben zwar die aus „per Anhalter durch die Galaxis“ berühmt gewordenen Antwort „42“, jedoch kenne wir die dazu passende Frage nicht. Sie stellt sich immer neu und anders.
Zur Zeit leben wir in einer Welt, in der wir Phänomene beobachten und im Anschluss passend zu unserer Beobachtung und nicht zum Phänomen an sich die Fragen stellen, für die wir Antworten zu finden glauben. In der Forschung werden häufig nach den Ursachen und Zusammenhängen für ein Phänomen gesucht, im Irrglauben an eine neutrale Position des Beobachters. Nimmt man die Erkenntnisse von Einstein, Bateson und anderen Forscher*innen jedoch ernst, dann verändert wir durch unsere Beobachtung bereits das Phänomen; ein Phänomen, was nur durch die Konstruktion unsere Wahrnehmung überhaupt „gesehen“ wird.
Was ist an solch einer Frage und Antwort schlecht? Nichts, aber zur Zeit ist diese Vorgehensweise nicht wirklich hilfreich. Ein Blick in die jüngste Vergangenheit zeigt, dass viele gefundene Antworten nicht mehr die dringenden Fragen beantwortet haben. Was sind denn, aus unserer Sicht, einige dringende Fragen: Wohin mit den Abfällen, die aus der Versorgung unserer Bedürfnisse entstanden sind? Wie funktioniert moralisch gut Handeln, wenn alles, was aus Konsum erstehen werden kann moralisch verwerflicher Produktion hervorgeht? Wie können wir uns leisten, mehr als 20‘000 Flüchtlinge in Moira frieren und hungern zu lassen?
Die Grundlagen unseres Denkens und damit unseres Zugangs zum wissenschaftlichen Denken werden in den Bildungseinrichtungen gelegt. Mehrheitlich wird in unserer Wahrnehmung in den Schulen „die Welt“ heruntergebrochen auf überschaubare Einheiten, die in einer (reduktionistischen) Weise linear betrachtet und analysiert werden. Gelehrt und gelernt werden „Wahrheiten“, Vereinfachung, die Welt als mechanisches Gebilde, welches einfach verständlich ist und gerechte Prüfungsmethoden erlaubt. Es scheint immer noch der Glaube (das Paradigma) zu herrschen, dass die Menschen alles verstehen können und müssen. Kompliziertheit und Genauigkeit werden anstelle von Komplexität und Unvorhersagbarkeit vermittelt.
Gerade Corona zeigt uns auf eindrückliche, für viele erschreckende, Weise, dass die Welt, der Virus, komplex und unberechenbar ist. Fragen aus und rund um ein komplexes System können nicht unter einem reduktionistischen linearen Paradigma gestellt und beantwortet werden. Also bedarf es aus unserer Sicht eines Lernens, in dem die Komplexität ausgehalten wird. Ein Lernen in dem klar und erlebbar wird, dass der Beobachter und die Beobachterin das Beobachtete beeinflusst und damit Teil der Frage und der Antwort ist. Es wird ein Lernen benötigt, in dem klar ist, dass die Antwort von Heute in zwei Tagen vielleicht schon nicht mehr hilfreich ist.
(Wolken über Biel, ein komplexes Phänomen, eigene Aufnahme)
Das komplexe Denken benötigt aus heutiger Sicht die Fähigkeiten
mit Unsicherheit und Unwissenheit umgehen zu können,
Fragen zu finden, die die Komplexität spiegeln,
keine Antworten zu haben auf Fragen, die eventuell auch noch nicht formuliert werden können,
Fragen zu finden, die gerade sinnvolle und passend erscheinen,
Verantwortung zu übernehmen für ALLES, was ich tue,
keine Verantwortung an andere Menschen für eigene Gefühle und die Erfüllung eigener Bedürfnisse zu übergeben,
aus der Dichotomie von Richtig und Falsch auszusteigen und andere Kriterien für Fragen zu entwickeln.
Wir interessieren uns für folgende Fragen:
Was soll Schule, was sollen Lernorte eigentlich für eine VerAntwortUng tragen und erfüllen, was haben sie als gesellschaftlichen Auftrag?
Welches Wissen, welche Fähigkeiten befähigen Menschen heute, für und mit morgen zu denken?
Wie kann nicht nur aus der Vergangenheit gelernt, sondern durch die Zukunft erinnerlicht werden.
Was für Handwerkszeug oder Kompetenzen sind dafür notwendig?
Wir möchten gerne mit Euch zusammen in einem Format entwickelt bei Nora Bateson (Warm Data Lab) sinnvolle Frage finden. Unser Ziel wäre es, die Lernorte zu Orten zu machen, in denen gesellschaftliche Verantwortung übernommen wird, die Zukunft zugelassen und gestaltet werden kann und der Umgang mit komplexen Systemen erlernt wird.
Comments